Empfehlungen zur Steigerung der Qualität von Bildung und Unterricht in Berlin
Qualitätskommission legt Abschlussbericht zur Schulqualität in Berlin vor.
Sandra Scheeres, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin, und Prof. Dr. Olaf Köller, Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des IPN und Leiter der von Frau Scheeres eingesetzten Kommission zur Schulqualität in Berlin, veröffentlichten in Berlin heute Vormittag den Abschlussbericht der Kommission.
Die Qualitätskommission, bestehend aus einer wissenschaftlichen Expertenkommission und einer Praxiskommission aus relevanten Akteuren im Bildungsbereich, erarbeitete wissenschaftlich fundierte Empfehlungen, wie die Lehr- und Lernprozesse auf den unterschiedlichen Bildungsetappen von der Kita bis zur Lehrkräftefortbildung in Berlin so gestaltet werden können, dass erfolgreiches fachliches und soziales Lernen stattfindet und gleichzeitig soziale Ungleichheiten im Bildungssystem reduziert werden. Im Zentrum der Empfehlungen stehen die Förderung sprachlicher und mathematischer Kompetenzen.
Die Qualitätskommission identifizierte sechs Handlungsfelder:
- Frühe Bildung
- Förderung der sprachlichen und mathematischen Kompetenzen im Unterricht (Grundschule und Sekundarstufen)
- Entwicklung und Sicherung der Qualität des Unterrichts
- Leistungsüberprüfung und Leistungsbewertung
- Standardsicherung beim Übergang in die Sekundarstufe II
- Professionalisierung: Phasen der Lehramtsausbildung, Quereinstieg
„Die Berliner Schülerinnen und Schüler schneiden in Ländervergleichen und Vergleichsarbeiten seit Jahren relativ schlecht ab“, so Köller, unter dessen Leitung die Qualitätskommission arbeitete. „Es ging uns in erster Linie darum, konkrete Empfehlungen zu geben, wie die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler in den Kernfächern verbessert werden können, wie soziale und kulturelle Disparitäten in den Leistungen langfristig reduziert werden können, wie die Jugendlichen in der Sekundarstufe I besser auf eine Ausbildung oder auf die gymnasiale Oberstufe vorbereitet werden können und welche Unterstützung die Schulen durch weitere Akteure, wie die Schulaufsicht oder ein Landesinstitut, erhalten können.“
Die wichtigsten Empfehlungen der Qualitätskommission für Berlin in Kürze:
Frühe Bildung
- Stärkung der Strukturqualität frühkindlicher Bildungseinrichtungen durch einen verbesserten Fachkraft-Kind-Schlüssel bei Kindern unter drei Jahren und verbindliche Vorgaben für die Anrechnung von Vor- und Nachbereitungszeiten in der pädagogischen Arbeitszeit.
- Verbindliche Förderung schulnaher Fähigkeiten (insbesondere sprachlicher und mathematischer Kompetenzen) auf der Grundlage einer verbesserten Diagnostik des Entwicklungsstandes; Etablierung von Funktionsstellen für Diagnostik und Förderung.
- Fokussierung der Qualitätsentwicklung auf Einrichtungen in besonders belasteten Regionen.
- Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte.
Förderung sprachlicher und mathematischer Kompetenzen im Unterricht
(Grundschule und Sekundarstufen)
- Etablierung einer Gesamtstrategie auf Steuerungsebene für ein zentrales gemeinsames Ziel: Reduktion der Anteile der sogenannten Risikogruppe, d.h. von Schülerinnen und Schülern, die sprachliche und mathematische Mindeststandards nicht erreichen, um mindestens 5 Prozentpunkte in den kommenden 5 Jahren.
- Verbindliche Einführung forschungsbasierter Förderkonzepte für sprachliche und mathematische Kompetenzen (z.B. Lese- und Schreibflüssigkeit, mathematische Verstehensgrundlagen); verpflichtende Förderung für Schülerinnen und Schüler, bei denen entsprechender Bedarf diagnostiziert wurde.
- Verbindliche Unterstützung der Schulen und kohärente, wissenschaftsbasierte bedarfsgerechte Fortbildung der Lehrkräfte, Konzentration aller Maßnahmen auf das zentrale Ziel (Deutsch und Mathematik) und die am stärksten betroffenen Schulen mit vielen förderbedürftigen Schülerinnen und Schülern (Abschaffung des Gießkannenprinzips).
- Deutlicher Ausbau der fachbezogenen Fortbildungs- und Unterstützungsstrukturen für Lehrkräfte der Fächer Deutsch und Mathematik in einer kohärenten Organisationsstruktur statt Zergliederung.
Entwicklung und Sicherung der Qualität von Unterricht
- Kohärente Verknüpfung von Einzelmaßnahmen der Unterrichtsentwicklung durch die Schaffung eines Berliner Landesinstituts, das die Ausbildung der Lehramtsanwärterinnen und -wärter, die Qualifizierung und den Einsatz von Schulberaterinnen und -beratern und fachdidaktischen Unterrichtscoaches, die Fort- und Weiterbildung sowie die Entwicklung, Bereitstellung und Implementation von Materialien zur Schul- und Unterrichtsentwicklung verantwortet.
- Fokussierung von Ressourcen auf die Entwicklung der fachdidaktischen Qualität von Unterricht durch einen Umbau der Schulinspektion zur anlassbezogenen externen Evaluation mit einem Schwerpunkt in der Beurteilung fachdidaktischer Unterrichtsqualität und durch die Umschichtung von Ressourcen der allgemeinen Schulberatung zugunsten fachbezogener Unterstützungssysteme.
- Bereitstellung und Aufbereitung relevanter Daten für datenbasierte Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht durch die Weiterentwicklung des Indikatorenmodells unter der Federführung des Instituts für Schulqualität und unter Einbezug externer Expertinnen und Experten. Außerdem: systematische Verknüpfung des Indikatorenmodells mit den Schulverträgen.
Leistungsüberprüfung und Bewertung
- Konsequente Fortführung der Lernausgangslagenuntersuchungen und Vergleichsarbeiten; dabei aber fortlaufende Prüfung der Qualität der Instrumente durch das Institut für Schulqualität (ISQ) und zusätzliche Bereitstellung von Interpretationshilfen und Lernmaterialien.
- Zahl der Klassenarbeiten beibehalten; Aufheben der Regelung, wonach in den Klassenstufen 8 bis 10 eine Reduktion der Klassenarbeiten in den Kernfächern vorgenommen werden kann.
- Aufgabe der obligatorischen zentralen MSA-Abschlussprüfungen an Gymnasien, da sie im Ergebnis zu wenig differenzieren; stattdessen freiwillige Teilnahme der Gymnasien an den MSA-Abschlussarbeiten.
Standardsicherung am Übergang in die Sekundarstufe II
- Vermeidung fachfremden Unterrichts in den Klassenstufen 9 und 10 in allen Schulformen, die zur Hochschulreife führen.
- Hinterfragen der Übergangsregelung an ISS und Gemeinschaftsschulen, an denen es möglich ist, mit einer Note 5 in einem der Kernfächer in die gymnasiale Oberstufe überzutreten.
- Verpflichtende Lernstandserhebungen am Beginn der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe (11. Jahrgangsstufe in ISS und Gemeinschaftsschulen).
Professionalisierung: Phasen der Lehramtsausbildung, Quereinstieg
- Konsequente Ausrichtung der gesamten Lehramtsausbildung am Professionalisierungsbedarf der künftigen Lehrkräfte.
- Stärkere Berücksichtigung der fachdidaktischen und fachlichen Anforderungen nicht-gymnasialer Schulformen in den Lehramtsstudiengängen Deutsch und Mathematik.
- Stärkere Berücksichtigung der Diagnose- und Förderkompetenzen in den Lehramtsstudiengängen Deutsch und Mathematik.
- Enge Abstimmung der Inhalte der ersten und zweiten Phase, die über die Aktivitäten des Kooperationsrats und die Fachberatung deutlich hinausgeht.
- Gemeinsame Entwicklung und Implementierung eines Rahmenkonzepts zum Erwerb von pädagogischer und fachdidaktischer Unterrichtsexpertise durch die Universitäten und die Akteure der zweiten Phase.
- Verbesserung der nachholenden, berufsbegleitenden Qualifizierung von Quereinsteigenden in Fach, Fachdidaktiken und/oder Bildungswissenschaften durch die Schaffung einer Struktur, die eine enge Abstimmung mit den Universitäten bezüglich der Gestaltung der Curricula sowie der Rekrutierung von Dozenten und Dozentinnen garantiert.