IPN-Schulbuchstudie: Qualität und Effekte von Mathematikbüchern in der Grundschule

In der aktuellen Diskussion über die nicht zufriedenstellenden Ergebnisse des IQB-Bildungstrends zu den Mathematikleistungen von Grundschülerinnen und -schülern in Schleswig-Holstein verweisen Bildungspolitik und Medien verstärkt auf die Rolle der verwendeten Mathematikschulbücher. Dabei wurde wiederholt auf die Ergebnisse der IPN-Schulbuchstudie verwiesen. Das IPN begrüßt es nachdrücklich, dass in der bildungspolitischen Diskussion auf wissenschaftliche Ergebnisse zurückgegriffen wird, um evidenzbasiert Entscheidungen herbeizuführen.

Die IPN Schulbuchstudie verfolgte zwei wissenschaftliche Ziele, die anhand von vier Schulbuchreihen und Längsschnittdaten von 93 Schulklassen aus den Jahren 2013-2017 untersucht wurden. So sollte erstens analysiert werden, ob die Nutzung verschiedener Mathematik-Schulbücher zu unterschiedlichen Entwicklungen der Mathematikleistungen führt, auch wenn die Schulklassen nach dem gleichen Lehrplan unterrichtet werden. Es zeigte sich, dass dies tatsächlich der Fall ist. Zweitens stellte sich die Frage, ob Qualitätsmerkmale für Mathematik-Schulbücher definiert und gemessen werden können und ob diese mit den Mathematikleistungen der Grundschulkinder zusammenhängen. Es konnte gezeigt werden, dass die Qualität von Mathematik-Schulbüchern themenspezifisch gemessen werden kann (z.B. zum Thema „geschicktes Rechnen“). Außerdem zeigten Schulklassen, die mit Büchern besserer Qualität unterrichtet wurden, bessere Leistungen in den untersuchten Themengebieten. Es ergab sich dabei aber auch, dass die Bücher verschiedene Stärken und Schwächen haben.

Die aktuelle bildungspolitische Diskussion geht über die wissenschaftlichen Ergebnisse hinaus und bedient sich in der öffentlichen Darstellung pointierter Zuspitzungen. So werden die in Schleswig-Holstein verwendeten Schulbücher mit Verweis auf die IPN-Schulbuchstudie beispielsweise als „mangelhaft“ oder „unwirksam“ bezeichnet. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Zuspitzungen weder belegbar noch widerlegbar. So haben in der Studie alle Schulklassen unabhängig vom Schulbuch ihre Mathematikleistungen verbessert, auch wenn dies bei einigen Büchern stärker der Fall war als bei anderen. Anzumerken ist auch, dass die Ergebnisse der IPN Schulbuchstudie bereits mehrere Jahre alt sind und die untersuchten Schulbücher inzwischen alle in überarbeiteten Neuauflagen erschienen sind. Es liegen bisher auch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, wie Lehrkräfte bei der Nutzung von Schulbüchern Qualitätsschwächen ausgleichen und wie Lehrkräfte dabei unterstützt werden können. Dies wird neben anderen Fragestellungen ab diesem Jahr in einer Folgestudie untersucht werden.

Neben dieser wissenschaftlichen Fragestellung ist für die Bildungspraxis relevant, dass Mathematiklehrkräfte die Stärken und Schwächen in Schulbüchern erkennen und die Schwächen durch ergänzende Materialien ausgleichen können. Das IPN-Team wird dazu mit Kooperationspartnern forschungsbasiert Ansätze entwickeln und auf ihre Praxistauglichkeit untersuchen.

Kontakt:
Prof. Dr. Aiso Heinze, heinze@leibniz-ipn.de

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der IPN-Schulbuchstudie. Dort finden Sie auch den Link zum Podcast Forschung für Bildung – Folge 2 (20 min), in dem ein Überblick über das Vorgehen der Studie gegeben wird.